Beim Umgang mit der Covid-19-Pandemie-Krise wurde seitens der staatlichen Politik in Österreich vieles konsequent unterlassen, was im Interesse der Bevölkerung dringend passieren müsste. Wie schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 zeigt sich das besonders drastisch am Umgang mit geflüchteten Menschen, die zum Leben in Lagern, Sammelunterkünften und Rückkehrzentren gezwungen sind.
Im Frühjahr wurden die Menschen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Folge von dort aufgetretenen Corona-Infektionen wochenlang unter polizeilichem Einschluss auf dem Lagergelände festgehalten und blieben gleichzeitig unter verantwortungslosen Zuständen dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein Bewohner des Lagers verstarb in Folge einer Covid-Infektion.
Hunderte Bewohner*innen der von Caritas und Arbeiter Samariter Bund geführten Gemeinschaftsunterkunft in Wien-Erdberg wurden im Mai nach einem Corona-Ausbruch in geschlossene Massenquarantäne in den Wiener Messehallen gebracht und mussten dort über zwei Wochen ausharren.
Infolge der Proteste von betroffenen Menschen, gerichtlichen Klagen und öffentlicher Kritik von verschiedenen Seiten sind die Behörden seitdem von spektakulären Massenquarantäne-Aktionen abgerückt.
Allerdings bleibt das Grundproblem der Lagerunterbringung und die damit verbundene Gesundheitsgefährdung für viele Menschen weiterhin ungelöst:
Regelmäßig treten in ganz Österreich in Lagern und Sammelunterkünften neue Covid-Infektionen auf, mit den seit Oktober erneut in die Höhe schießenden Infektionszahlen verschlimmert sich dieser Zustand. Für viele Lagerbewohner*innen sind die letzten Monate geprägt von einem permanenten Quarantäne-on-and-off. Tritt in einer Unterkunft eine Covid-Infektion auf, müssen die Zimmer-Mitbewohner*innen der betroffenen Person in Quarantäne und bleiben gleichzeitig dem Risiko ausgesetzt, sich untereinander weiter anzustecken. Quarantäne bedeutet jedes Mal: Rausgerissen werden aus dem eigenen Alltag; Unterbrechung von Aktivitäten, Jobs und Kursen; Unterbrechung von sozialen Beziehungen – auf die Dauer eine extreme Belastung.
Aktuell spitzt sich die Covid-Krise in verschiedenen österreichischen Lagern wieder gefährlich zu:
Am 6. November wurde ein großer Covid-Cluster in einer Asylunterkunft in Eisenstadt im Burgenland bekannt, 63 Bewohner*innen wurden positiv getestet. Laut ORF wurde die gesamte Unterkunft unter Kollektivquarantäne gestellt, durch Polizeipatrouillen sollen die Menschen am Verlassen des Lagers gehindert werden.
Besonders skandalös ist, dass trotz eines dortigen Covid-Ausbruchs weiterhin Menschen in das überfüllte und isoliert gelegene Rückkehrzentrum am Bürglkopf in Fieberbrunn in Tirol gebracht werden. Laut Informationen von dort wurden am 5. November – unmittelbar nachdem wegen der sich ausbreitenden Covid-Infektionen bereits 15 Personen unter Quarantäne gestellt wurden – weitere 15 Menschen zum Bürglkopf verbracht. Gleichzeitig musste eine Person wegen Atembeschwerden ins Krankenhaus nach Kitzbühel eingeliefert werden.
All diese Fälle fügen sich ein in das Bild eines skandalösen Zustands, in dem für die österreichischen Behörden das Isolieren und Ausgrenzen von Menschen durch Lagerunterbringung und das gezielte Zermürben in Rückkehrzentren, das nur darauf abzielt, dass abgelehnte Asylsuchende egal wohin einfach verschwinden, nach wie vor über dem Schutz von Gesundheit, von Leib und Leben, steht.
Wenn es jetzt dringende Konsequenzen aus der Corona-Pandemie zu ziehen gilt, dann liegt es an uns allen, hier eine Notbremse zu ziehen: Es braucht eine sofortige Schließung aller Rückkehrzentren und die vollständige Wiederaufnahme der Geflüchteten in die Bundes- und Landesgrundversorgung. Für alle Bewohner*innen von Lagern und Sammelunterkünften müssen umgehend dezentrale Wohnungen zur Verfügung gestellt werden – Platz ist vorhanden. Kosten können und dürfen kein Argument sein in einem Staat, der in der Covid-Krise Milliarden Euro aufwendet, um für Großunternehmen die Rendite zu sichern. Denn eines sollte mittlerweile klar geworden sein: Nicht alle leiden unter der Corona-Krise gleichermaßen – eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte um Umverteilung als Lehre aus der Covid-Krise steht noch aus und muss dringend angestoßen werden.
Wohnungen statt Lager jetzt! Evakuiert alle Lager – sofort! Beendet die Schikanierung, die psychische Zermürbung, die soziale Isolation und den Ausschluss von unabhängiger Rechtsberatung von Geflüchteten! Es reicht!